Konflikte bei der Erstellung barrierefreier PDF-Dokumente (3/3)

Barrierefreiheit und PDF/UA

PDF und Barrierefreiheit – Ein weites Feld, das auch Konfliktpotenzial mitbringt.

Egal, ob in der analogen oder in der digitalen Welt, das Thema Barrierefreiheit ist ein vielschichtiges Thema und kann aus vielen verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet werden. Als barrierefrei gilt eine Umgebung dann, wenn sie so gestaltet wurde, dass sie von allen Menschen gleichermaßen (ohne Hilfe) ohne Barrieren/Hürden genutzt werden kann, also auch von Menschen mit Beeinträchtigung jeglicher Art.

In der digitalen Welt und auf das PDF-Format bezogen, kann man die Frage „Können PDF-Dokumente wirklich barrierefrei sein?“ klar mit Ja beantworten, wenn man eine gewisse Grundkenntnis mitbringt und ein paar Stolpersteine bei der Erstellung und Überprüfung der Dokumente mit beachtet.

Das hartnäckige Gerücht, dass es keine barrierefreien PDFs geben kann, kann man getrost als überholt betrachten, wobei man dazu sagen muss, dass das Thema leider zu lange stiefmütterlich behandelt wurde und es weiterhin Nachholbedarf gibt. Denn Barrierefreiheit ist eben vielschichtig zu betrachten und inwiefern ein Dokument wirklich barrierefrei ist, lässt sich zu 100% erst in der Praxis beweisen, indem ein blinder Menschen versucht, das PDF-Dokument zu erfassen. Das heißt, eine 100%tige Validierung, ob ein PDF-Dokument barrierefrei ist, kann letzten Endes nur audiovisuell erfolgen. Man muss dazu sagen, dass auch das PDF/UA Format (für Universal Accessibility) nicht automatisch hundertprozentige Barrierefreiheit bedeutet, es handelt sich hierbei lediglich um einen Industriestandard und man sollte zusätzliches Hintergrundwissen besitzen, damit auch diese Dokumente einwandfrei barrierefrei erstellt sind.

Einen eindrücklichen Einblick, welche Schwierigkeiten und Konflikte bei der Erstellung solcher PDF-Dokumente entstehen können, erhalten Sie hier:

https://www.barrierefreies-webdesign.de/knowhow/pdf-screenreader/pdf-fuer-blinde.html

https://www.barrierefreies-webdesign.de/knowhow/pdf-screenreader/

Der Autor Oliver Nadig ist IT-Experte und selbst erblindet. Auch wenn die Artikel bereits 2005 bzw. 2006 veröffentlicht wurden, eignen sie sich immer noch sehr gut, um die Problematik deutlich zu machen.

Allgemein zu PDF und Barrierefreiheit: Welche Konflikte gibt es und warum?

Konflikte beim Thema Barrierefreiheit können u.a. dadurch entstehen, dass PDF-Dokumente von ihrem Ursprungscharakter her dafür gedacht sind, das Erscheinungsbilds eines Dokuments unverändert zu lassen. Das PDF-Format, welches ursprünglich mal aus der PostScript-Drucktechnologie kommt und nicht aus strukturierten Dokumentformaten wie beispielweise XML sollte als Dokument immer originalgetreu bleiben und hatte so mehr den Fokus auf den druckähnlichen, visuellen Eindruck als auf die Bedeutung und die Struktur der Inhalte. Diese wiederum sind aber eben für Menschen wichtig, bei denen der visuelle Eindruck wegfällt, wenn sie das Dokument per Screen-Reader erfassen müssen.

Aus diesem Grund kommen auch immer wieder Barrieren für blinde Menschen zustande, die darauf angewiesen sind, dass die Inhalte durch bestimmte Kennzeichnungen strukturiert sind. Zur Ausgabe und Aufbereitung des Dokumenteninhalte durch Screen-Reader müssen bei der Erstellung des PDF-Dokuments Tags eingefügt werden. Hiermit sind Standardelemente gemeint wie Überschriften oder Absätze. Diese dienen dann der Orientierung. (Mehr dazu konnten Sie in Teil 2 dieser Reihe erfahren.)

Häufiges Problem: Geschützte PDF-Dokumente

Ein recht verbreitetes Problem ist auch, dass PDF-Dokumente nicht immer barrierefrei sein können. Das ist immer dann der Fall, wenn das Dokument aus einer Rastergrafik besteht, mehrspaltig ist, einen unbekannten Zeichensatz enthält oder der Text ganz einfach kopiergeschützt ist. Solche Dokumente können dann nicht von Screen-Readern entsprechend erfasst werden:

https://www.einfach-fuer-alle.de/blog/id/2757/

Konflikte bei der Prüfung auf Barrierefreiheit

Bei der Validierung von barrierefreien PDF-Dokumenten kann es zusätzlich zu Schwierigkeiten kommen. Es kann bei der Prüfung passieren, dass Dateien fälschlicherweise als barrierefrei eingestuft werden. Deswegen ist es unerlässlich, dass Sie sich nicht ausschließlich auf eine rein automatische Prüfung verlassen.

Wichtige Punkte, die bei der Prüfung auch zu beachten sind:

  • Wenn die ansonsten nützliche Umfließfunktion eingesetzt wird, sollte man prüfen, ob es zu Darstellungsfehlern kommt
  • Tags, die sinnvollerweise zur Strukturierung eingesetzt wurden müssen semantisch und syntaktisch korrekt sein
  • Auch bei der Nutzung des Matterhorn-Protokolls bzw. PAC-Tests beachten: Manche Punkte müssen mit menschlichem Beurteilungsvermögen betrachtet werden, es reicht nicht immer aus sie automatisiert zu überprüfen
  • Es kann auch Anforderungen geben, die in der EN 301549 Norm (Europäische Richtlinie/Anforderungen digitale Barrierefreiheit) enthalten sind, welche aber nicht durch im PDF/UA Standard abdeckt sind, deswegen wird auch empfohlen darauf zusätzlich zu achten. Quelle: https://barrierekompass.de/aktuelles/detail/pdf-ua-ist-kein-standard-fuer-barrierefreiheit.html (Hier finden Sie auch eine Liste an weiteren Anforderungen, die man mit einer automatisierten Testung nicht abdeckt und einer manuellen Überprüfung bedarf.)

Welche Vorgaben sind bei der PDF-Validierung zu beachten?

Man sollte bei einer Überprüfung auf Barrierefreiheit immer mehrgleisig denken. Neben Aspekten der allgemeinen Usability muss man sowohl den PDF/UA Standard als auch die Anforderungen der WCAG als Ausgangsbasis nehmen und zusätzlich auch die EN 301549 Norm sowie die ISO 14289 Norm im Blick haben. Das bedeutet, dass man von den Erstellern barrierefreier PDF-Dokumente ein Grundlagenwissen an Barrierefreiheit, Digitalisierung und Usability voraussetzen muss. Das ist leider nicht immer gegeben oder nur in Bereichen, wo es ganz klar um Webdesign geht. Hier gibt es klar Nachholbedarf und Konfliktpotenzial. Man kann dabei festhalten: Je mehr Menschen hinsichtlich von Barrierefreiheit geschult werden, desto mehr kann dann davon auch bei der PDF-Erstellung umgesetzt werden.

Auf der sicheren Seite ist man immer, wenn man den internationalen Standard (ISO 14289) beachtet und mit dem sogenannten PAC 2021-Test absichert. Der jeweils aktuelle PAC Test (PDF Accessibility Checker) der PDF/UA-Foundation ist ein wichtiges Tool für die Überprüfung der Barrierefreiheit. Somit ist in jedem Fall einerseits die PDF/UA-Konformität aber auch die WCAG-Konformität gegeben. Eine zusätzliche Sichtprüfung/Prüfung mit einem Screen-Reader ist aber trotzdem wichtig, denn auch hier geht es in erster Linie um die maschinenprüfbaren Kriterien.

Fazit barrierefreie PDF-Dokumente

Fest steht: Von barrierefreien Dokumenten profitieren viele Menschen. Nämlich auch alle Menschen ohne zufriedenstellende Deutschkenntnisse sowie alle Analphabeten oder Teilanalphabeten, die es in größerer Zahl gibt als man denken würde. Hier gibt es Schätzungen von 4-6 Millionen Menschen (Quelle: https://www.mein-schlüssel-zur-welt.de/de/zahlen-und-fakten-1719.html). Diese könnten für barrierefreien PDF-Dokumente beispielsweise die von Adobe Reader mitgelieferte Sprachausgabe nutzen.

Der Mythos, dass PDF-Dokumente nicht barrierefrei sind, ist nicht richtig und das ist leider immer noch zu wenig bekannt. Fakt ist aber: Man kann fast jede PDF-Datei mindestens so leicht barrierefrei machen wie eine Website. PDF-Dokumente sind hier in jedem Fall besser als ihr Ruf. Seit vielen Jahren werden Tagged PDF bzw. später die PDF/UA-Norm weiterentwickelt (PDF/UA-2 wurde basierend auf PDF 2.0 entwickelt) und es gibt ganz klar das Anliegen, dass PDFs in dieser Form zugänglich/barrierefrei gestalten werden können. Kritisch könnte man hinzufügen, dass die Möglichkeit der Barrierefreiheit bei PDF-Dokumenten noch zu wenig genutzt wird oder auch zu wenig und zu langsam weiterentwickelt wurde.

Wichtige Links

Quelle und Inspiration zu diesem Beitrag:

Mehr technische Hintergründe aus einem anderen Blickwinkel:

https://barrierekompass.de/aktuelles/detail/was-ist-best-practice-fuer-barrierefreie-pdf.html

Mehr zu Oliver Nadig:

https://www.caritas.de/magazin/kampagne/sozial-braucht-digital/kampagnen-aktion-2019/digitale-teilhabe-mit-behinderung

Praktische Hilfe und viele wichtige Links finden Sie auch bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit:

https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Praxishilfen/Informationstechnik/Barrierefreie-PDF/barrierefreie-pdf.html